Rechte Kräfte wollen augenscheinlich den rückschrittlichen Konsens in großen Teilen der Bevölkerung nutzen, um eine vollständige Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu erreichen. Die Kampagne #Fairändern ist nur der erste Schritt, sozusagen ein Testballon, um zu sehen, wie weit sie gehen können. Die türkis-blaue Regierung war ein idealer Nährboden dafür. Klar ist, dass #Fairändern und Co. nach den Neuwahlen nicht aufgeben werden; egal ob uns wieder Türkis-Blau blüht oder eine andere Arschpartie am Ruder ist.
#fairändern geht […] deutlich geschickter vor als frühere Kampagnen der christlichen FundamentalistInnen. Anstatt lauthals „Abtreibung ist Mord“ zu rufen und vor Kliniken Schwangere zu terrorisieren, wie das HLI und Co. machen, versucht #fairändern mittels einer medienwirksamen Kampagne und einer Petition Aufmerksamkeit für ihre Forderungen zu generieren. Die schwarz-blaue Koalition sehen sie als ihre beste Chance, Schwangerschaftsabbrüche so unzugänglich wie möglich zu machen. So schreiben sie auf Facebook: „Die politische Lage für eine positive Veränderung im Lebensschutz war seit Einführung der Abtreibung 1975 noch nie so gut wie jetzt.“ (FIDA – Feministische Informations- und Dokumentations-Arbeit)
Die Niedertracht in den Forderungen von #Fairändern zeigt sich mitunter erst auf den zweiten Blick. Hinter scheinbar „harmlosen“ Formulierungen stecken zutiefst rückschrittliche Unterstellungen, wie sie für die ultra-religiöse Rechte typisch sind.
Die Forderung nach einer „Hinweispflicht des Arztes (sic!) auf Unterstützungs- und Beratungsangebote für schwangere Frauen“ unterstellt zum Einen, dass medizinisches Personal erst per Gesetz gezwungen werden muss, in Beratungsgesprächen auf die Bedürfnisse von gewollt oder ungewollt Schwangeren einzugehen. Zum Anderen ist damit eine Beratung nach dem Geschmack der religiösen FundamentalistInnen gemeint: Frauen sollen zum Austragen der Schwangerschaft gedrängt werden. Eine solche Beratung wäre alles andere als ergebnisoffen.
Die Forderung nach einer „dreitägigen Bedenkzeit vor einem Schwangerschaftsabbruch“ suggeriert, dass Frauen selbst nicht in der Lage seien zu entscheiden, ob ihre Schwangerschaft gewollt oder ungewollt ist. Tatsächlich steht für 98% der Frauen bereits fest, dass sie einen Abbruch möchten, wenn sie einen Termin in der Klinik vereinbaren. Zahlen aus anderen Ländern zeigen, dass diese Zahl mit oder ohne Wartefrist konstant bleibt. Die „dreitägige Bedenkzeit“ erinnert zudem an die gesetzliche dreitägige „Abkühlphase“ vor dem Kauf einer Schusswaffe. Der Körper der ungewollt Schwangeren wird so rhetorisch zur tödlichen Waffe, vor welcher der Staat den Fötus zu schützen habe.
Die Forderung nach einer „Informationskampagne über Adoption/Pflege“ statt eines Schwangerschaftsabbruchs unterstellt, dass ungewollt Schwangere dazu bereit wären, sich neun Monate lang als Brutkästen zur Verfügung zu stellen. Ein derartiger Zugriff auf Frauenkörper ist eine Zumutung – und ein weiterer Schritt in Richtung Zwangs-Schwangerschaften.
Die Forderung nach einer „offiziellen Statistik und anonymen Motivforschung zu Schwangerschaftsabbrüchen“ läuft ins Leere. Die Gründe für Abbrüche sind längst bekannt, sie können u.a. im Österreichischen Verhütungsreport nachgelesen werden: zu teure Verhütungsmittel, abgeschlossene Familienplanung, „Beziehungsprobleme“ (d.h. Männergewalt, fehlende Unterstützung durch den Partner), Schwangerschaft nicht mit Arbeit oder Ausbildung vereinbar, und geringes Einkommen.
Die Kernforderung der Anti-Choice-Kampage zielt auf die aktuell im Gesetz vorgesehene „embryopathische Indikation“ ab. Während ein Abbruch ohne Angabe von Gründen nur in den ersten drei Monaten straffrei ist, wird auch dann von einer Gefängnis- oder Geldstrafe nach einem Abbruch abgesehen, wenn „die ernste Gefahr besteht, daß das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“ (§97 Strafgesetzbuch).
Es ist kein Zufall, dass die ultra-religiöse Rechte an diesem Punkt ihren Hebel zur vollständigen Kriminalisierung ansetzt: schließlich sind viele Menschen zu Recht empört über die gesamtgesellschaftliche Diskriminierung und Abwertung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Feministinnen und Beeinträchtigtenverbände kritisieren – ebenfalls zu Recht – den verstärkten Druck zur Pränataldiagnostik (PND): Schwangere werden zunehmend zu vorgeburtlichen Tests gedrängt, die eine spätere Beeinträchtigung des geborenen Kindes vorhersagen sollen. In einer zutiefst behindertenfeindlichen Gesellschaft tragen solche Tests zur Stigmatisierung von Menschen mit Beeinträchtigung und ihren Bezugspersonen bei. Es ist perfide, dass #Fairändern als ÖVP-FPÖ-unterstützte Kampagne vorgibt, sich für das Wohlergehen beeinträchtigter Menschen zu interessieren, während die (extrem) rechte türkis-blaue Regierung eben diesen Leuten auch noch Gelder strich.
#Fairändern blendet aktiv die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aus, und bürdet dadurch die durch fehlende Strukturen/Ressourcen für ein gutes Leben mit Beeinträchtigung entstehende Arbeit den Frauen auf. Die Frage, wer außer den Müttern die Unterstützung eines schwer beeinträchtigten Kindes zu leisten habe zu umgehen, oder die Antwort darauf in eine unbestimmte Zukunft zu verschieben, bedeutet, in der bestehenden Gesellschaft den Frauen diese Arbeit zuzuschieben. Zudem darf nicht übersehen werden, dass mehrere, miteinander verwobene Gründe für einen Abbruch vorliegen können, z.B. fehlendes Geld und die „embryopathische Indikation“, mitunter auf Druck von pränataldiagnostischen Vorhersagen. Nicht alle Frauen, die einen Spätabbruch erwägen gehören der gehobenen Mittelschicht an. Einrichtungen und Ressourcen, welche die Sorgearbeit vergesellschaften und zwischen den Geschlechtern gerecht aufteilen werden Schwangeren viel eher Umstände bieten, die eine Entscheidung FÜR ein Kind mit Beeinträchtigung ermöglichen, als ein Verbot von Spätabbrüchen oder eine Ächtung von PND alleine.