Sorgearbeit und Stigmatisierung in einer be_hindertenfeindlichen Gesellschaft

Die gebärende Person/Mutter ist die Person, die in den meisten Fällen ihren Kindern gegenüber verpflichtet ist und diese Verpflichtung wahrnimmt. Wir sprechen von patriarchaler Arbeitsteilung – u.a. christliche FundamentalistInnen tun alles für den Erhalt derselben. So lange Sorgearbeit in der Familie an Frauen* hängenbleibt, ist niemand sonst berechtigt, über die Größe und Beschaffenheit der Familie zu entscheiden. Abgesehen davon macht es aktuell leider doch einen Unterschied, ob ein Mensch mit oder ohne Be_hinderung geboren wird – oder besser, er wird gemacht. Zum Tragen kommt die embryopathische Indikation meist nicht aus Behindertenfeindlichkeit, sondern wegen der Auswirkungen auf die Person, die das Kind bekommt: sie ist die Einzige, die in jedem Fall Sorgearbeit und Unterstützung leisten wird.

Dazu kommen die Stigmatisierung von Be_hinderten, fehlende soziale Sicherung (Stichwort neue Mindestsicherung), die unzureichende Infrastruktur und die dadurch erschwert Teilhabe be_hinderter Personen, ihrer Mütter sowie be_hinderter Mütter an der Gesellschaft.

Die Instrumentalisierung von Menschen mit Be_hinderung durch AbtreibungsgegnerInnen ist zurückzuweisen.

Vergessen wird in der Diskussion oft, dass auch Frauen mit Be_hinderung ungewollt schwanger werden. Auch für diese Zielgruppe wäre es fatal, die Zugänglichkeit zu Abbrüchen weiter einzuschränken – die bestehende Gesetzeslage schafft schon jetzt teils unüberwindbare Barrieren (die Fristenregelung in Kombination mit weiten Anreisewegen zu Kliniken, die Abbrüche vornehmen, v.a. in Vorarlberg und Tirol). Frauen mit Be_hinderung wird auf vielfältige Weise verwehrt über ihren eigenen Körper zu entscheiden, beispielsweise durch zwangsweise Sterilisation oder die Verabreichung von hormonellen Langzeitverhütungsmitteln.

Schwangere entscheiden wohlüberlegt, ob sie eine Abtreibung durchführen lassen wollen oder nicht. Um diese Entscheidung ohne Angst vor Diskriminierung treffen zu können, darf der Schwangerschaftsabbruch nicht als schlechtere Wahl stigmatisiert werden.

If you don’t trust me with a choice, how can you trust me with a child?

Wir wollen: Ein gutes Leben für Alle!

Ein gutes Leben für Alle braucht sowohl eine tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Be_hinderung als auch einen anonymen, barrierefreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Dazu sind konkret fortschrittliche Sexualaufklärung, freier Zugang zu Verhütung und die Aufhebung der patriarchalen Arbeitsteilung nötig.

Selbstbestimmung muss über den neoliberalen Begriff hinausgehen. Statt Vereinzelung und Individualisierung müssen die Vorraussetzungen für selbstbestimmte Entscheidungen gegeben sein: ein Ende der Diskriminierung von Frauen mit und ohne Be_hinderung. Patriarchat und Kapitalismus müssen überwunden werden.

Nur das Erkämpfen einer grundlegenden Verbesserung der Lebensumstände von Menschen mit Be_hinderung kann dazu führen, dass tatsächlich weniger Abbrüche wegen dieser Indikation durchgeführt werden. Erst, wenn ein gutes Leben für alle Menschen möglich ist, sind wirklich freie Entscheidungen über das Austragen oder den Abbruch einer Schwangerschaft möglich. Die Parteien von an der Petition ‚Fairändern‘ maßgeblich beteiligte Personen (ÖVP/FPÖ) stimmten übrigens für eine Kürzung der Familienbeihilfe für Eltern be_hinderter Kinder.