1000-Kreuze-Marsch blockieren!

Salzburg, 25. 7. 2019

Demo: 11:30 Uhr, Salzburg Hauptbahnhof

Danach: 1000-Kreuze-Marsch blockieren! Für mehr feministischen Widerstand!

Für einen freien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen!

Schluss mit der Instrumentalisierung von Menschen mit Beeinträchtigung durch rechte Gruppierungen!

Jedes Jahr im Sommer wird die Salzburger Altstadt Bühne eines befremdlichen Spektakels: ultra-religiöse FundamentalistInnen veranstalten einen sogenannten „Gebetszug 1000 Kreuze für das Leben“. Weiße Holzkreuze tragend ziehen selbsternannte „LebensschützerInnen“ dabei durch die Gassen. Organisiert wird das antifeministische Event von Human Life International (HLI, Lebenszentrum Salzburg) gemeinsam mit EuroProLife (München). Der „1000 Kreuze Marsch“ in Salzburg ist ein Treffen christlicher AntifeministInnen aus Österreich, Bayern und Südtirol.

Der Zweck ihres Auftrittes: Propaganda gegen reproduktive Selbstbestimmung und gegen Emanzipation ganz allgemein. Die ultra-religiösen Gruppierungen lehnen nicht nur Schwangerschaftsabbrüche ab, sie sprechen sich auch gegen jegliche Verhütungsmittel und fortschrittliche Sexualaufklärung aus. Somit treten sie für Zwangs-Schwangerschaften und eine Gebärpflicht für Frauen und Mädchen ein. Homosexualität und geschlechtliche Vielfalt sind ihnen ein Dorn im Auge – als einzige Form des Zusammenlebens gilt ihnen die konservative Kernfamilie mit möglichst vielen leiblichen Kindern.

Zudem instrumentalisieren diese Gruppierungen Menschen mit Beeinträchtigung für ihre rechte Agenda. Unter dem Vorwand, diese schützen zu wollen, spielen sie gezielt Menschen mit Beeinträchtigungen und Lernschwierigkeiten gegen ungewollt Schwangere aus. Aktuell betreibt eine rechte Gruppierung diese niederträchtige Argumentation besonders vehement: die MacherInnen der Kampagne #Fairändern. Unterstützt von Mitgliedern aus ÖVP und FPÖ, dem konservativen Männerbund CV (Cartellverband) und der katholischen Kirche holt #Fairändern aktuell zu einem Schlag gegen die teilweise Straffrei-Stellung von Schwangerschaftsabbrüchen (Fristenlösung) aus.

Wenn wir dem nicht jetzt unseren Widerstand entgegensetzen, sieht es schlecht aus für ungewollt Schwangere.

Dem wollen wir entgegentreten. Wir rufen zu einer Pro-Choice-Demo und zum Blockieren des 1000-Kreuze-Marsches auf.

Außerdem laden wir alle Feministinnen und anderen fortschrittlichen Menschen, mit und ohne Beeinträchtigung oder Lernschwierigkeiten, dazu ein, sich zu verbünden.

Wir verwenden die Begriffe Menschen mit Be_hinderung, Beeinträchtigung und Lernschwierigkeiten. Wir sind selber nicht betroffen, aber wollen dem Rechnung tragen, dass es verschiedene Selbstbezeichnungen gibt. Als Nicht-Betroffene wollen wir uns nicht für eine Bezeichnung entscheiden, die manchen Betroffenen möglicherweise nicht gerecht wird.

 

Sorgearbeit und Stigmatisierung in einer be_hindertenfeindlichen Gesellschaft

Die gebärende Person/Mutter ist die Person, die in den meisten Fällen ihren Kindern gegenüber verpflichtet ist und diese Verpflichtung wahrnimmt. Wir sprechen von patriarchaler Arbeitsteilung – u.a. christliche FundamentalistInnen tun alles für den Erhalt derselben. So lange Sorgearbeit in der Familie an Frauen* hängenbleibt, ist niemand sonst berechtigt, über die Größe und Beschaffenheit der Familie zu entscheiden. Abgesehen davon macht es aktuell leider doch einen Unterschied, ob ein Mensch mit oder ohne Be_hinderung geboren wird – oder besser, er wird gemacht. Zum Tragen kommt die embryopathische Indikation meist nicht aus Behindertenfeindlichkeit, sondern wegen der Auswirkungen auf die Person, die das Kind bekommt: sie ist die Einzige, die in jedem Fall Sorgearbeit und Unterstützung leisten wird.

Dazu kommen die Stigmatisierung von Be_hinderten, fehlende soziale Sicherung (Stichwort neue Mindestsicherung), die unzureichende Infrastruktur und die dadurch erschwert Teilhabe be_hinderter Personen, ihrer Mütter sowie be_hinderter Mütter an der Gesellschaft.

Die Instrumentalisierung von Menschen mit Be_hinderung durch AbtreibungsgegnerInnen ist zurückzuweisen.

Vergessen wird in der Diskussion oft, dass auch Frauen mit Be_hinderung ungewollt schwanger werden. Auch für diese Zielgruppe wäre es fatal, die Zugänglichkeit zu Abbrüchen weiter einzuschränken – die bestehende Gesetzeslage schafft schon jetzt teils unüberwindbare Barrieren (die Fristenregelung in Kombination mit weiten Anreisewegen zu Kliniken, die Abbrüche vornehmen, v.a. in Vorarlberg und Tirol). Frauen mit Be_hinderung wird auf vielfältige Weise verwehrt über ihren eigenen Körper zu entscheiden, beispielsweise durch zwangsweise Sterilisation oder die Verabreichung von hormonellen Langzeitverhütungsmitteln.

Schwangere entscheiden wohlüberlegt, ob sie eine Abtreibung durchführen lassen wollen oder nicht. Um diese Entscheidung ohne Angst vor Diskriminierung treffen zu können, darf der Schwangerschaftsabbruch nicht als schlechtere Wahl stigmatisiert werden.

If you don’t trust me with a choice, how can you trust me with a child?

Wir wollen: Ein gutes Leben für Alle!

Ein gutes Leben für Alle braucht sowohl eine tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Be_hinderung als auch einen anonymen, barrierefreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Dazu sind konkret fortschrittliche Sexualaufklärung, freier Zugang zu Verhütung und die Aufhebung der patriarchalen Arbeitsteilung nötig.

Selbstbestimmung muss über den neoliberalen Begriff hinausgehen. Statt Vereinzelung und Individualisierung müssen die Vorraussetzungen für selbstbestimmte Entscheidungen gegeben sein: ein Ende der Diskriminierung von Frauen mit und ohne Be_hinderung. Patriarchat und Kapitalismus müssen überwunden werden.

Nur das Erkämpfen einer grundlegenden Verbesserung der Lebensumstände von Menschen mit Be_hinderung kann dazu führen, dass tatsächlich weniger Abbrüche wegen dieser Indikation durchgeführt werden. Erst, wenn ein gutes Leben für alle Menschen möglich ist, sind wirklich freie Entscheidungen über das Austragen oder den Abbruch einer Schwangerschaft möglich. Die Parteien von an der Petition ‚Fairändern‘ maßgeblich beteiligte Personen (ÖVP/FPÖ) stimmten übrigens für eine Kürzung der Familienbeihilfe für Eltern be_hinderter Kinder.

Gebären für das Vaterland?!

Die Machenschaften von organisierten AbtreibungsgegnerInnen sind Teil einer globalen Entwicklung nach rechts. Kein autoritärer Staat kommt ohne das Beschneiden der Selbstbestimmung von Frauen aus. Im Inneren dient die heterosexuelle Kleinfamilie als Keimzelle des Staates. Die Sicherung der Macht des Staates über alle Bürger_innen funktioniert somit über die Sicherung der Macht von Männern über Frauen. Es ist kein Zufall, dass der Aufstieg von parlamentarischen und außerparlamentarischen extrem rechten Kräften einhergeht mit Angriffen auf den freien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Deshalb verstehen wir reproduktive Selbstbestimmung nicht als isolierten Kampf, sondern als eine Querschnittmaterie, die im Kampf um eine befreite Gesellschaft eine zentrale Rolle einnimmt.

Die Politik im Inneren und die Militarisierung der EU-Außengrenzen sind zwei Seiten der selben Medaille: Christlich-konservative und völkisch-rechte Kräfte schließen sich zusammen, um in rassistischer Diktion eine militärische Abschottungspolitik durchzusetzen. Gleichzeitig sollen diejenigen Frauen*, deren Herkunft den rechten Machthabern genehm ist, neue Staatsbürger_innen und Arbeitskräfte gebären. Der Uterus wird so zur Produktionsstätte von neuen Mitgliedern einer imaginierten „Volksgemeinschaft“. Was für eine Scheiße!